Berührung auf der Bühne
Intimacy Direction
"Mach doch einfach, das ist das Natürlichste auf der Welt!"
Vielleicht nicht in so krassen Worten, aber ich bin sicher: Die meisten Menschen, die eine Weile Theater machen, sind irgendwann in eine Situation geraten, in welcher sie ihre Bühnenpartner*in küssen, anmachen... einfach berühren sollten.
Und wenn die Berührung (sehr) gewalttätiger Natur war, kam im besten Fall eine Kampfchoreograf*in dazu und plötzlich wurde diese Szene zu jedermenschs Lieblingsszene: Denn sie war spannend, abwechslungsreich, nouanciert, gut geprobt, sicher, fantasievoll und erzählte richtig viel Handlung ohne Worte.
Zugegeben, im Alltag herzen wir (hoffentlich!) mehr als wir uns prügeln. Dennoch sind wir ungeübt darin, Nähe mit Fremden zu navigieren.
Der Probenraum ist ein Ort, in welchem sich öfters Zeitdruck und Ehrgeiz zusammentreffen, und wo meist auch gewisse Hierarchien und Traditionen gegeben sind. All dies lässt Nähe, die sich gut anfühlt und für alle stimmt zu einer Herausforderung werden.
Intimacy Direction (noch immer suche ich ein besseres Wort auf Deutsch! Intimitätsregie hört sich furchtbar klinisch an!) ist zum Teil eine Reaktion auf die exponentiell vielen Fälle von Belästigung, Nötigung, Missbrauch auf Filmsets, in Proberäumen, auf Castings.
Viel grundsätzlicher geht es aber um eine Vision eines Zusammenarbeitens, in welchem alle Teilnehmenden sich sicher, offen und kreativ fühlen können. Es geht um offene Kommunikation, das Hinterfragen von überkommenen Mustern, Aufmerksamkeit, Kollegialität und Wohlsein.
Seit 2020 bin ich mit konkreten Aus- und Weiterbildungen auf dem Weg zum Certified Intimacy Director (IDCProfessinals) . Aber in meiner Probenarbeit beschäftige ich mich eigentlich schon seit viel längerem damit, wie (Körper-)Kontakt auf der Bühne so sicher und einvernehmlich wie fantasievoll und, eben, berührend sein kann.